Geltende Erlasse (SMBl. NRW.) mit Stand vom 15.5.2024
Anwendung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 vom 14.6.1971 und (EWG) Nr. 574/72 vom 21.3.1972 sowie der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 vom 29.4.2004 und (EG) Nr. 987/2009 vom 16.9.2009 auf Beamte und ihnen gleichgestellte Personen RdErl. d. Finanzministeriums v. 11.10.2001 - B 3003 - 22 - IV C 3
Anwendung der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 vom 14.6.1971 und
(EWG) Nr. 574/72 vom 21.3.1972 sowie der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 vom
29.4.2004
und (EG) Nr. 987/2009 vom 16.9.2009 auf Beamte und ihnen gleichgestellte
Personen
RdErl. d. Finanzministeriums v. 11.10.2001 - B
3003 - 22 - IV C 3
Durch die VO
(EG) Nr. 1606/98 vom 29.6.1998 (ABl. L 209 S. 1 v.
25.7.1998) sind die Sonderversorgungssysteme für Beamte und ihnen
gleichgestellte Personen mit Wirkung vom 25.10.1998 in den Anwendungsbereich
der „Verordnung über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf
Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der
Gemeinschaft zu- und abwandern“ - VO (EWG) Nr. 1408/71 - vom 14.6.1971 und der
dazu ergangenen Durchführungsverordnung - VO (EWG) Nr. 574/72 - vom 21.3.1972
einbezogen worden. Der Geltungsbereich der Verordnungen wurde mit Wirkung vom
29.1.2000 (ABl. L 1 S. 1 v. 3.1.1994) auf den
Europäischen Wirtschaftsraum - EWR - (Mitgliedstaaten der EU sowie Island,
Liechtenstein und Norwegen) sowie mit Wirkung vom 1.6.2002 (ABl.
L.114 S. 6 v. 30.4.2002, BGBl. 2002 Teil II Nr. 26 S. 810) auf die Schweiz
ausgeweitet.
An die Stelle
der VO (EWG) Nr. 1408/71 ist die am 20.5.2004 in Kraft getretene und ab dem
1.5.2010 geltende „Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und
des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“ vom 29.4.2004
(ABl. Nr. L 166 S. 1 v. 30.4.2004, berichtigt im ABl. Nr. L 200 S. 1 v. 7.6.2004), getreten. Sie ist durch
„Verordnung (EG) Nr. 988/2009 vom 16.9.2009 (ABl. Nr.
L 284 S. 43 v. 30.10.2009) geändert worden.
Die
Durchführungsverordnung Nr. 574/72 ist durch die am 1.5.2010 in Kraft getretene
„Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr.
883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“ vom
16.9.2009 (ABl. Nr. L 284 S. 1 v. 30.10.2009) ersetzt
worden.
Die VO’en (EWG) Nr. 1408/71 und (EWG) Nr. 574/72 behalten
jedoch ihre Rechtswirkung, soweit z. B. darauf in den Abkommen über die
Einbeziehung des EWR und der Schweiz in den Geltungsbereich dieser Verordnungen
Bezug genommen wird, solange die Abkommen nicht infolge der VO¿en
(EG) Nr. 883/2004 und (EG) Nr. 987/2009, die im Übrigen keine grundlegenden
Änderungen im Hinblick auf die deutsche Beamtenversorgung enthalten, geändert
worden sind.
Für die Anwendung der EU-rechtlichen Regelungen im System
der deutschen Beamtenversorgung gebe ich im Einvernehmen mit dem
Innenministerium folgende Hinweise:
I.
1.
Seit der zum 25.10.1998 erfolgten Einbeziehung der Beamten
in die frühere VO (EWG) Nr. 1408/71 durch die VO (EG) Nr. 1606/98 ist das
EU-Recht für alle Dienstherrn verbindlich. Beamter im Sinne der VO (EG) Nr.
883/2004 ist jede Person, die in dem Mitgliedstaat, dem die sie beschäftigende
Verwaltungseinheit angehört, als Beamter oder diesem gleichgestellte Person
(Richter, Soldat, DO-Angestellter) gilt (vgl. Art. 1
Buchst. d der VO). Die EU-rechtlichen Regelungen gelten für Beamte, die neben
ihrer Versorgungsanwartschaft nach deutschem Recht über Beschäftigungszeiten in
noch mindestens einem anderen Mitgliedstaat verfügen, wobei es unerheblich ist,
ob diese Zeiten vor einem Beamtenverhältnis oder innerhalb eines
Beamtenverhältnisses liegen. Bei dem erfassten Personenkreis kann es sich um
deutsche Staatsangehörige handeln, die zeitweise in anderen Mitgliedstaaten
beschäftigt waren, oder um Angehörige anderer Mitgliedstaaten, die in
Deutschland Beamte waren und hier in den Ruhestand getreten sind bzw. treten.
Von diesen Regelungen nicht erfasst sind ehemalige Beamte,
die aus ihrem deutschen Rechtsverhältnis entlassen und in der gesetzlichen
Rentenversicherung nachversichert worden sind.
2.
Nach den VO’en (EG) Nr. 883/2004
und Nr. 987/2009 werden in den mitgliedstaatlichen Systemen die
ruhegehaltfähigen Dienstzeiten deutscher Beamter zur Erfüllung von Wartezeiten
oder von versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentenberechnung
verwendet (vgl. Art. 51 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004). Wenn bei einem Wechsel
nach Deutschland die Wartezeit im allgemeinen Rentensystem des Herkunftslandes
noch nicht erfüllt sein sollte, so werden die deutschen Beamtenzeiten für die
Erfüllung dieser Wartezeit im Herkunftsland berücksichtigt. Demgegenüber sind
für die Wartezeit nach § 4 BeamtVG grundsätzlich nur
in Deutschland verbrachte Zeiten anzurechnen (vgl. Art. 60 Abs. 2 der VO (EG)
Nr. 883/2004).
3.
Im Zusammenhang mit der Ernennung zum Beamten sollte von der
jeweiligen Personalstelle geklärt und aktenkundig gemacht werden, ob und in
welchem Umfang Beschäftigungszeiten des Beamten in anderen Mitgliedstaaten
vorliegen und ob er dort bereits eine Anwartschaft auf Altersversorgung hat, die
(später) zu einem Leistungsanspruch führt. Diese Klärung ist grundsätzlich auch
bei bereits vorhandenen Beamten erforderlich; sie kann über die BFD West in
Köln als Koordinierungsstelle und die zuständige Verbindungsstelle zum
ausländischen Leistungsträger (s. Anlage
1) herbeigeführt werden.
4.
Der Antrag eines Beamten auf Zurruhesetzung
gilt gleichzeitig als Antrag auf Alterssicherungsleistungen in den
Mitgliedstaaten, sofern nicht ausdrücklich nur deutsche Versorgungsleistungen
beantragt werden (s. Anlagen 2 und 2a).
Es ist deshalb erforderlich, bei Beamten mit Beschäftigungszeiten in einem
anderen Mitgliedstaat Anträge auf Zurruhesetzung über
die BFD West in Köln an den ausländischen Versicherungsträger zu übermitteln.
Aus den unter Ziffer 2 Satz 1 und 2 genannten Gründen sind den
mitgliedstaatlichen Versicherungsträgern von den Pensionsfestsetzungsstellen
zudem die Versorgungsfestsetzungen über die BFD West in Köln bekannt zu geben
(s. Anlage 1).
Im übrigen bitte ich, Beamte mit Versicherungszeiten in einem
System der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaates rechtzeitig vor
ihrem Eintritt in den Ruhestand anhand des Merkblattes der Deutschen
Rentenversicherung Bund (Anlagen 2 und 2a) über ihre Rechte und das
Antragsverfahren zu informieren.
5.
Sofern
ausländische Versicherungsträger zur Feststellung ihrer Leistungspflicht über
bereits vorliegende ärztliche Gutachten hinaus zusätzliche Untersuchungen
wünschen, weise ich dazu auf Folgendes hin:
In Abweichung vom Grundsatz der kostenfreien gegenseitigen Amtshilfe nach Art.
76 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 883/2004 werden nach Art. 87 Abs. 6 der VO (EG) Nr.
987/2009 die Kosten, die u. a. im Zusammenhang mit ärztlichen Untersuchungen
(Gutachten) tatsächlich entstanden sind, dem mit der Durchführung beauftragten
Träger von dem Leistungspflichtigen, der die Untersuchung veranlasst hat,
erstattet. Zu beachten ist jedoch, dass die Bundesrepublik Deutschland mit
mehreren Staaten Erstattungsverzichtsabkommen geschlossen hat, nach denen
Kosten gegenseitig nicht geltend gemacht werden. Fragen dazu können über die
BFD West in Köln an die zuständige Verbindungsstelle herangetragen werden.
II.
1.
Seit dem Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1606/98 am 25.10.1998
durften bzw. dürfen gem. Art. 46b Abs. 1 der früheren VO (EWG) Nr. 1408/71 bzw.
Art. 54 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/2004 grundsätzlich keine gleichartigen
ausländischen (mitgliedstaatlichen) Leistungen (mehr) auf die Beamtenversorgung
angerechnet werden. Das Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art definiert
Art. 53 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/2004. Danach liegen Leistungen gleicher Art
ungeachtet ihrer Bezeichnung vor, wenn sie sich aus dem Versicherungsverlauf
ein und derselben Person herleiten.
Beispiel:
Zusammentreffen einer deutschen Beamtenversorgung wegen
Alters mit einer mitgliedstaatlichen Versorgung oder Rente wegen Invalidität
oder Alters in der (gesamteuropäischen) Versicherungsbiographie einer Person.
Ausnahmsweise dürfen gleichartige Leistungen gem. Art. 54
Abs. 2 der VO (EG) Nr. 883/2004 „angerechnet“ werden, wenn sie von der Dauer
zurückgelegter Versicherungs- und Wohnzeiten unabhängig sind oder aufgrund
fiktiver Zeiten bestimmt werden. Solche Leistungen sind im Anhang IX der VO
(EG) Nr. 883/2004 aufgeführt. Zweifelsfälle sind über die BFD West in Köln bzw.
die zuständige Verbindungsstelle zu klären.
2.
Sofern von der "Anrechnung" ausgeschlossene
gleichartige Leistungen nach dem 25.10.1998 auf die Beamtenversorgung
"angerechnet" worden sind (z. B. im Rahmen der Ruhensberechnung nach
§ 55 Abs. 8 BeamtVG), ist dies ohne Rechtsgrund
erfolgt. Da insoweit ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt vorliegt,
liegt es im pflichtgemäßen Ermessen der Pensionsregelungsbehörde, ob sie diesen
ex tunc oder ex nunc zurücknimmt (§ 48 Abs. 1 VwVfG NRW). Ich bitte, entsprechende rechtswidrige
Verwaltungsakte mit Wirkung für die Zukunft, d. h. ab 1.10.2001 zurückzunehmen.
Sind in diesen Fällen ausländische (mitgliedstaatliche) und/oder inländische
Beschäftigungs- oder sonstige Zeiten im Ermessenswege als ruhegehaltfähige Dienstzeiten
(Vordienstzeiten) berücksichtigt worden, ist jedoch aufgrund der veränderten
Rechtslage durch eine Vergleichsberechnung (Tz 11.0.5 ff., 12.0.2, 67.2.3 Satz
2 und 67.2.4 Satz 3 BeamtVGVwV) unter Einbeziehung
der mitgliedstaatlichen Alterssicherungsleistung zu prüfen, ob und ggfs. in welchem Umfang diese Zeiten weiterhin als solche
berücksichtigt werden können.
3.
In sonstigen Versorgungsfällen, in denen die Versorgungsberechtigte/der
Versorgungsberechtigte einen Anspruch auf eine mitgliedstaatliche
(ausländische) Alterssicherungsleistung hat oder erwirbt, ist ebenfalls durch
eine Vergleichsberechnung (Tz 11.0.5 ff., 12.0.2, 67.2.3 Satz 2 und 67.2.4 Satz
3 BeamtVGVwV) zu prüfen, ob und ggfs.
in welchem Umfang inländische oder/und mitgliedstaatliche Beschäftigungs- oder
sonstige Zeiten im Ermessenswege als ruhegehaltfähige Dienstzeiten
(Vordienstzeiten) berücksichtigt werden können.
MBl. NRW.2001 S. 1318, geändert durch RdErl. v. 24.10.2002 (MBl. NRW. S. 1164), 1.12.2005 (MBl. NRW. 2005 S. 1336),
5.5.2010 (MBl. NRW. 2010 S. 528), 18.5.2011 (MBl. NRW. 2011 S. 220).
Anlagen: